Agiles Projektmanagement – die Entwicklungsschritte
Wer vom Wasserfall oder Wasserfall Projektmanagement spricht, meint meist klassisches Projektmanagement. Das Phasenmodell ist hier linear, denn wie beim Wasserfall fällt Wasser von oben nach unten. So einfach geht es oft in der Vuca-Welt nicht mehr, weswegen hybrides und agiles Projektmanagement in den Alltag einkehrt.
Agiles Projektmanagement ist ein Schlagwort und wird oft mit der agilen Projektmanagementmethode Scrum in einem Atemzug genannt. Hybrides Projektmanagement liegt zwischen dem Wasserfall Projektmanagement und dem agilen Projektmanagement. Vielfach wird der Unterschied bei den Tools gesucht, doch es gibt viele agile Werkzeuge einschließlich dem Modell der Agilen Zwiebel (↓). Die Agile Zwiebel verdeutlicht, dass der Wechsel des Werkzeugs alleine nicht ausreicht, weshalb die 5 Stufen waterfall (Wasserfall), use agile, do agile, be agile und live agile den agilen Entwicklungsweg beschreiben.
Waterfall – die Urform des Projektmanagements
Der Wasserfall ist der einfachste und ursprünglichste Projektmanagementansatz. Wasserfall Projektmanagement führt wie ein Kuchenrezept mit den entsprechenden Zutaten und Ressourcen unter Einhaltung der Verhaltensanweisungen relativ sicher zu einem reproduzierbaren Output, dem Kuchen. Projektmanagement möchte wie jede andere Managementmethode die Effizienz steigern, weswegen es Regeln aufstellt, Vorlagen und Checklisten bereitstellt und teilweise automatisierte, digitalisierte Prozesse definiert. Auch agiles Projektmanagement verfolgt diesen Ansatz, denn sonst gäbe es keine agile Projektmanagementmethode wie Scrum.
Übertragen wir das Bild des Wasserfalls auf die Phasenmodelle im Projektmanagement, bedeutet dies, dass die Phasen rein sequenziell, linear hintereinander ablaufen. Dies kommt in Phasenreihenfolgen wie Planungsphase, Genehmigungsphase und Bauphase zum Ausdruck. Eine Parallelität gibt es bei diesem Phasenmodell nicht. Dieses Phasenmodell ist durch die starke Vereinfachung ziemlich realitätsfremd. Jeder kennt es, dass Brücken von Autobahnen schon gebaut werden, bevor die Baugenehmigung komplett erteilt ist.
Linearität, Kausalität und striktes Handeln nach Normen kennzeichnen das klassische Wasserfall Projektmanagement. Hierarchien gehören zu diesem Ansatz und spiegeln sich in Tools wie Projektorganigramm oder Projektstrukturplan. Für diese Entwicklungsstufe kennzeichnend sind Null-Fehler-Planung, Rechtfertigung, Soll-gleich-Ist-Einstellung. Gesichtswahrung, Einordnung und Unterordnung, Schuldgefühle und Pflichtgefühle sind dabei die Zeichen der Ich-Entwicklungsstufe 🌐 E4 nach dem Loevinger-Modell, welches in der Agilität Anwendung findet.
Use agile – am Übergang zum agilen Projektmanagement
Use agile ist etwas komplizierter als das lineare Projektmanagement, wie auch der reale Wasserfall komplizierter ist. Verfeinern wir zunächst das Bild vom Wasserfall und wir sehen, dass ein Wasserfall durch Steine, Bäume oder Felsvorsprünge in mehrere Segmente geteilt wird. Es entsteht eine parallele Linearität in den verschiedenen Teilströmen, die man Projektmanagement like in Teilprojekte unterteilt. Im klassischen Projektmanagement wird dieses Prinzip der parallelen Linearität mit dem parallel-sequentiellen Phasenmodell ausgedrückt. Nach meiner Erfahrung geht jedes linear geplante Projekt einen parallel-sequentiellen Weg, denn durch irgendwelche Ressourcenengpässe, eingetretene Risiken, Korrekturen wird die ursprüngliche Linearität aufgebrochen. Oft ist eine möglichst hohe Termintreue über den Projektverlauf zu erhalten. Im klassischen Projektmanagement wird dieses Parallelisieren durch die Methode Fast Tracking dargestellt. Beim Fast Trackingwerden ursprünglich hintereinander geplante Schritte ganz oder teilweise gleichzeitig durchgeführt. Dieses Vorgehen ist schon deutlich komplizierter und zeichnet sich durch das Nutzen von Chancen beim Parallelisieren aus. Neben diesen Chancen ergeben sich dadurch veränderte Risiken.
Das bis hierher gezeigte Bild vom Wasserfall ist immer noch eine Vereinfachung der Realität. Auf die Breite eines Wasserfalls gesehen, können durchaus mehrere Wasserteilchen nebeneinander und hintereinander fallen. Dennoch können einige nicht unten ankommen, weil sie unterwegs auf Hindernisse stoßen, wie z.B. einen Felsvorsprung. Andere Wasserteilchen werden vielleicht vom Wind abgetrieben und landen nicht am Fuße des Wasserfalls im Fluss. Die ersten Schritte im Projektmanagement, die diese Situationen miteinschließen wollen, sind Prototypen oder Iterationen. Hierdurch kann man testen, auf welchem Weg das einzelne Wasserteilchen wirklich unten ankommt. Im klassischen Projektmanagement bildeten sich die prototypischen-iterativen Phasenmodelle bei denen Rücksprünge in vorherige Phasen berücksichtigt wurden, z.B. wenn der Untergrund für ein Bauwerk nicht ausreichend tragfähig ist, muss nachverdichtet werden oder der Boden muss ausgetauscht werden, … Da beim prototypischen-iterativen Phasenmodell schon iterativ vorgegangen wird, ist die Iteration als erstes agiles Tool bereits in der Methodik enthalten, so dass man sich fragen kann, ab welchem Punkt man bereits das klassische Projektmanagement verlässt und agiles Projektmanagement anstrebt.
Prozessmanagement und Qualitätsmanagement im Projektmanagement
Im Prozessmanagement und Qualitätsmanagement entwickelte zyklische Prozess-Phasenmodelle zogen ins Projektmanagement ein. Der PDCA-Zyklus von Deming mit den Phasen Plan (Planen), Do (Tun), Check (Controllen) und Act (Re-/Agieren) ist ein bekanntes, zyklisches Modell aus der Qualitätssicherung. Dies führte zu komplizierten Regelwerken und prozessorientierten, lernenden Projektmanagementsystemen wie dem Project Management Instituts (PMI) oder Automotive SPICE-Standard.
Die Orientierung an klaren Standards und Normen, sowie das sehr rationale, kausale Denken kennzeichnen die Ich-Entwicklungsstufe E5 und führen zu recht festen Vorstellungen vom Sein und Funktionieren der Welt und dem Grundpfeiler Kostenorientierung. Mit der persönlichen Weiterentwicklung setzt eine beginnende Selbstwahrnehmung ein, die Selbstkritik und das Sehen von verschiedenen Perspektiven und Motiven wird ermöglicht. Ein fachliches Denken mit der Betonung der Effizienz steht im Vordergrund. Kaizen und Lean Management liegen in diesen Ansätzen begründet, so dass agile Methoden wie Kanban-Boards, agiles Projektmanagement eingeführt werden. Hier erlebt man häufig, dass agile Werkzeuge eingesetzt werden, ohne dass man etwas über den agilen Hintergrund weiß. Ein Hammer ist ein Hammer – Punkt. Das Streben nach Leistung und Anstrengung überwiegt die Schuldgefühle und die Pflichtgefühle vorangegangener Stufen.
Mit der wachsenden Selbstwahrnehmung und Selbstkritik wächst der Wunsch nach Wachstum über die fachliche Perspektive hinaus, so dass die Weiterentwicklung von sozialen und emotionalen Kompetenzen beginnt. Neben persönlicher Entwicklung beginnt auch Teamentwicklung und für Teil-/Projektleitungen ändert sich das Rollenbild oder der Blick auf Kommunikation bis hin zu dem agilen Wert in der Führungskräfteentwicklung. Einzelne agile oder hybride Tools fließen ebenfalls ein, ohne weiter auf das agile Mindset oder den agilen Kulturwandel einzugehen. In den Unternehmen und Organisationen befasst man sich oft mit dem Thema Projektführung und Linienmanagement auf Augenhöhe zu etablieren.
Do agile – hybrides Projektmanagement
Aus Projektmanagementsicht ist do agile eine wichtige Phase, insbesondere für die Mutterorganisation der Projekte. Das Besondere am hybriden Management ist, das klassische und agile Methoden situationsbezogen angewendet werden. Es ist ein erstes Aufweichen der Regelkonformität. Dies sind wichtige Schritte für das Verlagern der Wichtigkeit von Regeln, Prozessen und Anweisungen auf die agilen Prinzipien Interaktionen und Individuen nach dem agilen Manifest. Agiles Projektmanagement entwickelt sich und das Schwarzweißdenken geht weiter zurück. Diversität und das Betrachten verschiedener Perspektiven gewinnt Bedeutung. Das wirkliche Tun, das Leben des agilen Mindsets führt zu einer agilen Kultur. Agile Coaching hilft die Konflikte zwischen klassisch organisierter Mutterorganisation und agil organisierten Projekten, insbesondere in den Bereichen Controlling, Risiko- und Chancenmanagement sowie Qualitätsmanagement zu lösen. Ein zunächst unauflösbares Paradoxon aus klassischer Sicht liegt z.B. im agilen Prinzip des leistbaren Verlusts. Hilfreich ist da manchmal der Blick auf die gemeinsame Historie und auf die Rolle der Geschäftsführung.
Agiles Projektmanagement und agile Methoden orientieren sich an ökonomischen Vorgaben, wie jede andere Managementmethode. Im Sinne der Definition von Management gehen agile Methoden anders mit der komplexen Umwelt (VUCA) und dem Anspruch der vollkommenen Information als Entscheidungsgrundlage um. Hier komme ich wieder zum agilen Prinzip des „leistbaren Verlusts“ zurück. Im klassischen Management würde man eine Strategie entwivckeln, einen Business Case, … erstellen, um dann auf „Basis der vollkommenen Information“ eine rational, kausal eindeutige Entscheidung zu fällen. Einerseits weiß jeder, der sich vor Gericht mit Gutachten und Gegengutachten auseinandersetzen musste, dass rationale Erklärungen sehr viel Perspektive enthalten können. Zum anderen ist die VUCA-Welt disruptiv. Denken wir an das Quasi-Aussterben der SMS, den Untergang von HD-DVD, Audio-CD, Siemens- oder Nokia-Handys, … Hier helfen Analysen der Vergangenheit nicht in Bezug auf Prognosen für morgen. In einer agilen Unternehmenskultur ist bereits ein Versuchsballon in der Luft und würde Fliegen oder nicht, während die klassischen Ansätze noch an den Vorplanungen sitzen.
Be agile – agiles Projektmanagement
Die in der Stufe do agile beginnende Veränderung in den Werten, den Vorstellungen vom Funktionieren der Welt, der Haltung (Mindset) und bei den Zielen ist abgeschlossen. Die agile Methode oder agiles Projektmanagement wird verkörpert und gelebt. „Die agile Methode“ ist dabei stets eine auf die Organisation angepasste Variante der ursprünglichen, standardisierten, agilen Methode. „Scrum like a Bosch“ oder „3-Tage-Scrum-Woche“ sind Beispiele für diesen Integrationsprozess in agilen Unternehmen. Die Scrumethik, auf die agiles Projektmanagement aufbaut, wird sich dann in die Organisationsethik und Organisationskultur integriert haben. Der Kampf um die Systeme und die strikte Orientierung an den Standards, die in use agile begann, ist beendet. Ruhig ist diese Phase dennoch nicht, denn starke Zielorientierung und der Wunsch nach Selbstoptimierung führt zu weiteren Veränderungen bei den einzelnen Menschen und im ganzen Unternehmen (→ live agile). In dieser Phase hört man Äußerungen wie: „Warum ist es Zuhause nicht so, wie auf der Arbeit?“ Diese Frage betrifft Aspekte wie Offenheit, Vertrauen, Gesprächskultur, Wertschätzung als Mensch, Fehlen von Psychospielen, … und andere Aspekte eines reichen Innenlebens. Der Mensch sieht sich nicht mehr in seine verschiedenen beruflichen oder privaten Welten zerteilt, sondern versucht seine gewonnene und ausgebildete Identität / Autonomie in allen Bereichen authentisch zu leben. Hierzu gehört auch das Ablegen des taylorischen Menschenbildes von Mensch = Maschine, Mensch als Funktionsträgern oder vom Gleichheitsdenken in punkto Austauschbarkeit der Menschen. Agilität, digitale Transformation und New Work teilen das Credo, dass der Sinn im ganzen Handeln und Verändern dem (einzelnen) Menschen dienen soll. Gleiches gilt für Regeln. Der Spruch „Das haben wir schon immer so gemacht.“ wird quasi nicht mehr auftauchen oder schnell als Abwehrverhalten und Schutzverhalten erkannt. Regeln und daraus gebildete Methoden werden als Hilfsmittel zur Effizienzsteigerung, Zielerreichung und Nachhaltigkeit gesehen, auch wenn die reale Welt komplexer ist. Komplexität wird akzeptiert und gleichzeitig wird logisch, rational vereinfacht. Allerdings stets mit dem Hintergedanken, ob dieses aktuelle Vorgehen noch hilfreich und zielführend ist, z.B. weil man wesentliche Aspekte auslässt oder bereits ein totes Pferd reitet und der Wasserfall längst kein Wasser mehr führt.
Agiles Projektmanagement in agilen Organisationen
Die agile, digitale Transformation nimmt mit jeder Stufe Fahrt auf und führt zu postmodernen oder evolutionären Kulturen in Unternehmen und Organisationen. Agiles Projektmanagement bringt mit Scrum of Scrums oder das Scaled Agile Framework (SAFe) eine Strahlwirkung in die Mutterorganisation. Für Organisationen und Unternehmen gibt es seit den 1970er Jahren die aus der systemischen Organisationsentwicklung heraus entstandene Soziokratie als Methode. Eine bekannte und 4 Jahrzehnte jüngere Methode aus der Soziokratie ist die Holokratie (engl. Holacracy® oder auch Holakratie). Das Bild mit den 3 Teams (↓) zeigt eine mögliche Konstellation im Netzwerk von doppelt verbundenen Kreisen auf Basis der vorstehenden, soziokratischen Methoden. Für rationale Entscheider*innen der Ich-Entwicklungsstufe E5 ist es wichtig, dass es diese bewährten Systeme gibt, um sich auf den Wandel einzulassen und um auf dem agilen Entwicklungsweg hoffentlich keine kalten Füße zu bekommen. Methoden können außerdem die Effizienz erhöhen, wenn sie an die jeweilige Einsatzsituation angepasst werden. Methoden und Effizienz sind zudem Bestandteil der Führungsfunktion Managen auf die im Artikel Führung – von Menschenführung, Führungskultur und Führungsmindset eingegangen wird.
Ein sichtbares, agiles Tool ist ein Task Board. Dies ist eine Variante des Kanban Boards, das aus einem Entwicklungszweig des Qualitätsmanagements bzw. Lean Managements stammt. Im Wesentlichen besteht das Kanban Board aus den 3 Spalten ToDo, Doing und Done. Das Tool gibt es auch in digitaler Form bei Asana, Jira, Miro, Padlet, Trello, … und selbst als Microsoft Planner. Dieses Tool findet sich quasi in allen agilen Methoden und auch agiles Projektmanagement kennt dieses Board. Im Scrum, einer der bekanntesten agilen Projektmanagementmethoden, heißt es Scrum Board. Es ist ein meist um 2 bis 3 Bereiche erweitertes Kanban Board. Die Erweiterungen am Scrum Board sind bspw. Product Backlog, Burndown Chart oder Impediment Backlog. Letzten Endes ging die agile Projektmanagementmethode Scrum aus dem Lean Development hervor und entwickelte sich zunächst in der Softwareentwicklung. Entgegen der teilweise vorhandenen Vorstellung bringen agile Projektmanagementmethoden durchaus Phasenmodelle, Prozessmodelle, Regeln, Tools, Techniken und Rollen mit. Diese werden in hybriden, agilen Projektmanagementseminaren trainiert. Teilweise wird in den Seminaren auch an den Vorstellungen, also der Haltung oder dem Mindset gearbeitet. Das #entfalten eines agilen Mindsets führt den agilen Kulturwandel mit jeder Kulturträgerin und jedem Kulturträger weiter voran. Für die Weiterentwicklung von Haltung / Mindset eignet sich individuelles Coaching jedoch besser.
Live agile oder gibt es mehr als agiles Projektmanagement?
Die Stufe live agile beschreibt den Zeitpunkt ab dem agile Ansätze soweit verinnerlicht sind, dass sie in das persönliche Mindset eingeflossen sind und somit den Alltag prägen. Konsent ist ein agiles Werkzeug zur Entscheidungsfindung, die der Stufe E7 entspricht (Hofert, Svenja. (2016) S. 68). Live agile steht für die postkonventionellen Ich-Entwicklungsstufen, in denen es aktuell wenige Managementansätze gibt. Diese Phase beginnt ab der Ich-Entwicklungsstufe E7 und geht bis zur Stufe E10. Die agile Sowohl-als-auch-Haltung und Ambidextrie ordne ich live agile zu. Agiles Projektmanagement und agile Methoden umfassen auch diese postkonventionellen Ansätze, die im Artikel Konsens ein Tool zur Entscheidungsfindung und Konfliktlösung weiter beschrieben werden.