Agile Werkzeuge – Die Best-of für agiles Arbeiten
Thomas Sattelberger 🌐 (ehemaliges Vorstandsmitglied der deutschen Telekom und Mitglied des Bundestages) sagt im Kinofilm „Die stille Revolution“: „Wirf Dein Handwerkszeug weg und springe in neues, kaltes Wasser“. Dies ist ein umfangreicher, disruptiver Appell vorhandene Werkzeuge zu überdenken und agile Werkzeuge für agiles Arbeiten zu nutzen. Zum Glück ist Agilität kein Neuland und es entwickelten sich etliche agile Methoden mit diversen agilen Tools oder umfassende, geschützte, zertifizierte agile Managementmethoden. Ein spannendes Phänomen, denn folgt man dem agilen Entwicklungsweg, werden alle Tools und Managementsysteme unter fortwährender und ständiger Neubewertung der Erfahrungen und der aktuellen Situation überprüft und angepasst. Das Daily Scrum steht zwar im Titel, jedoch erhältst Du die Best-of agiler Werkzeuge unabhängig von einer agilen Projektmanagementmethode wie Scrum.
Agile Zwiebel und der Blick auf die agilen Werkzeuge im Hintergrund
Das Modell der agilen Zwiebel zeigt den oft vorhandenen Fokus auf die Einführung neuer Tools und Methoden. Die Tools oder Methoden allein bestimmen jedoch nicht den Einsatz, denn ein Hammer könnte auch einfach als Türstopper eingesetzt werden. Die Praktiken rund um den Einsatz mit dem Wie und Wofür sind daher entscheidende Aspekte für die Wirkung der eingesetzten agilen Werkzeuge. Diese Betrachtungstiefe entspricht den Leveln „use agile“ bis „do agile“, welche unter Wasserfall – agiles Projektmanagement – 5 Inseln der Agilität beschrieben werden.
Agile Haltung ist der Schlüssel zu agilen Werkzeugen und agilem Arbeiten
Bleiben wir beim Beispiel mit dem Hammer, der als Türstopper genutzt werden kann. Mit der Frage nach dem Wofür der Hammer eingesetzt wird, öffnen sich die Perspektiven nach der Wirkung, dem Zweck und dem Sinn. Die Wirkung, der Zweck und der Sinn der gelebten Praktiken rund um agile Werkzeuge und agiles Arbeiten sollten ab der Betrachtungstiefe „do agile“ oder „be agile“ mit dem Sinn und Zweck des umgebenden, sozialen Systems im Einklang stehen, um Abwehr- und Abstoßungsreaktionen zu vermeiden. Die gelebten Praktiken sollten daher mit den gelebten Werten und Prinzipien aus der Unternehmenskultur, Organisationskultur oder der Führungskultur im Einklang stehen. Der agile Dreiklang spricht daher von drei agilen Modellen, nämlich den agilen Werten, den agilen Prinzipien und den agilen Werkzeugen, die Konsonanz statt Dissonanz erzeugen sollten.
Damit etwas gelebt werden kann, braucht es Menschen, die den Zweck umsetzen und den Sinn, die Werte und Prinzipien beherzigen. Menschen tun dies entsprechend ihrer persönlichen Haltung. Leben die Menschen eine agile Haltung in ihrem Verhalten, ihren Praktiken oder beim agilen Arbeiten, spricht man auch von einem agilen Mindset, das unter anderem aus agilen Werten und agilen Prinzipien besteht. Im organisationalen Kontext bildet sich daraus die gelebte, agile Kultur.
Auswahl agiler Werkzeuge für agiles Arbeiten
Ein wichtiger Wert ist Vertrauen, denn ohne dieses Vertrauen kann man gar nicht die Kontrolle und die X-Haltung im Sinne der X-Y-Theorie loslassen. Unabhängig von den agilen Werkzeugen findet bei einer agilen, digitalen, sinnorientierten Transformation ein Kulturwandel von der Misstrauenskultur hin zur Vertrauenskultur statt, die mit einem Wandel zur Y-Haltung inklusive einem Menschenbild von motivierten Menschen einhergeht. Werden diese Wandel nicht unterstützt und zugelassen, erfolgt auf Dauer die Abwehr- bzw. Abstoßungsreaktion des Systems. Als System lässt sich:
- ein einzelner Mensch betrachten, denn jedes Individuum hat aufgrund seiner bisherigen Entwicklung in seiner Umwelt eine eigene Ich-Struktur, ein eigenes Wertesystem, ein Repertoire an Verhaltensmustern und Anweisungen, … erlernt.
- eine Organisation / ein Unternehmen betrachten, denn diese sozialen Systeme bestehen aus Menschen und den gelingenden Beziehungen auf Augenhöhe zueinander.
Eine geänderte Weltsicht fließt somit in den agilen Kulturwandel ein und agiles Coaching unterstützt den Prozess. Agile Haltung, agiles Mindset oder agile Weltsicht können als agile Werkzeuge / agile Modelle angesehen werden. Die Gewandtheit bei diesen agilen Tools entsteht wie beim Beispiel mit dem Hammer durch „gute“ und „schlechte“ Erfahrungen, Reflexion und Lernen in der Praxis. Bei der Auswahl agiler Werkzeuge gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, denn Schwarzweißdenken gehört ja der Vergangenheit an. Es gilt also agile Tools zu finden, die zum aktuellen System passen und gleichzeitig so abweichend sind, dass das System und die Systemmitglieder den nächsten Baby step auf dem agilen Entwicklungsweg nach dem Slow-Grow-Prinzip gehen können.
Daily Scrum (Stand-up Meeting), das wohl am häufigsten wahrgenommene agile Werkzeug
Das Daily Scrum ist ein Tool aus der agilen Projektmanagement-Methode Scrum, allerdings gibt es mittlerweile sehr viele Variationen von (täglichen) Standup Meetings.
Beim Daily Scrum trifft sich täglich, zur selben Zeit und am gleichen Ort ein agiles Entwicklungsteam einschließlich der moderierenden Rolle Scrum Master*in für ein Face2Face-Meeting im Stehen mit einer maximalen Dauer von 15 Minuten (→ agiler Wert #Fokus, agile Prinzipien Timeboxing, Face2Face). Im Daily Scrum werden die drei Fragen von jedem einzelnen Teammitglied ggf. mit maximaler Redezeit beantwortet:
- Was habe seit dem letzten Daily Scrum getan?
- Was nehme ich mir bis zum nächsten Daily Scrum vor?
- Was behindert mich beim Tun?
Transparenz (agiler Wert und Scrum-Prinzip) entsteht durch diese Fragerunde auf Basis der drei Werte Mut, Offenheit und Respekt. Zu den Antworten auf die ersten beiden Fragen gibt es kein Controlling, denn es gilt das Vertrauensprinzip. Die Antworten zur dritten Frage nimmt die Rolle Scrum Master*in auf, da diese prinzipiell und ggf. außerhalb der Time Box für das Daily Scrum geklärt werden müssen. Die nicht im Team klärbaren Punkte können von der Rolle Scrum Master*in in das agile Tool Impediment Backlog übernommen werden. Im Daily Scrum können vor dem Hintergrund der beiden Prinzipien Überprüfen und Anpassen weitere agile Tools eingesetzt werden. Übliche Tools heißen Burndown Chart und Scrum Board (siehe Entwicklungspfad „Projekte erfolgreich managen“).
Agiles Arbeiten bedeutet im Daily Scrum, dass die Antworten dem Team für die Abstimmung der Arbeit im Hinblick auf Erreichung Sprintziel, Effizienz und Synergie dienen. Das Rollenverhalten einer Scrum Master*in entspricht im Daily Scrum einer Moderationsrolle, keiner Führungsrolle.
Agiles Arbeiten im agilen Team
Der agile Wert Einfachheit und das agile Prinzip kleine Teams führen in Kombination dazu, Aufgaben so weit zu vereinfachen, dass diese Aufgaben in kleinen, interdisziplinären, agilen Teams mit 3 – 11 Personen vollständig beraten, entschieden und abgearbeitet werden können. Vollständig Beraten und Entscheiden setzt den agilen Wert Transparenz voraus. Hier ist das digital mindset eine gute Ergänzung, denn mit Hilfe vom Kollaborationssoftware können Informationen geteilt, Beratungsprozesse über große Distanzen, unterschiedliche Medien und Zeitzonen hinweg durchgeführt oder in unterschiedlichen Sprachen stattfinden. Außerdem können Entscheidungen z.B. mittels Voting herbeigeführt werden, so dass insgesamt das agile Prinzip aktive Beteiligung gelebt wird. Das agile Team ist in der Scrumethik eine tragende Säule und zugleich ein reifes Team aus den Aspekten der Gruppendynamik und der sozialen, emotionalen Reife. Agile Teams sind selbstorganisierende Teams bis selbstführende Teams, so dass es sich hierbei um adaptierte agile Werkzeuge für die agile Unternehmensführung oder die agile Organisation handelt. In der Soziokratie einschließlich der Holacracy® wird auch der Begriff Kreis verwendet. Kreise können Entwicklungsteams, das Scrum-of-scrums oder der Steuerkreis sein, wobei letzter auch als Projektorgan aufgefasst werden kann. Auch Aspekte aus Excellence Teams und High Performance Teams werden mit agilen Teams verknüpft. Die Spannweite in der agilen Tool-Ausprägung ist demzufolge groß, jedoch ist allen Ansätzen gemein, dass es mehr Klarheit zu den Perspektiven gibt:
- Rollen
- Selbstorganisation
- Gleichwertigkeit / Augenhöhe
- Teamverfassung (Zweck (Purpose), Sinn, Werte, Prinzipien)
- akzeptierte Führung / Delegation von Führungsaufgaben
- Kommunikation
Retrospektive, das wichtigste agile Werkzeug
Die Retrospektive ist ein agiles Tool, weil es auf Reife und Reflexionsfähigkeit als Kompetenzen der teilnehmenden Menschen aufbaut. In der agilen Projektmanagement-Methode Scrum gibt es die Retrospektive als Sprint Retrospektive am Ende eines jeden Sprints mit einer Dauer von maximal 3 Stunden. #Fokus und das Timeboxing werden somit auch bei diesem agilen Tool gelebt. Eine Übersicht über weitere agile Formen der Retrospektive findet sich im Blog bei viadee 🌐. Allen Formen von Retrospektiven ist gemein, dass sie den Blick von heute in die Vergangenheit richten, um den aktuellen Stand und die Zukunft zu verbessern. Sprich Sprint Retrospektiven folgen den agilen Prinzipien Überprüfen und Anpassen. Der agile Wert Kommunikation wird ebenfalls gelebt, denn bei der Retrospektive handelt sich um ein Kommunikationstool. Die Retrospektive hat in der Grundform folgenden Gesprächsablauf:
- Ankommen + Rollenklärung: Wer nimmt die Moderation wahr?
- Intro: Welche Ziele sollen mit dieser Retrospektive erreicht werden?
- Daten sammeln: Was war +/–? – Was ist geschehen?
- Einsicht gewinnen: Weshalb sind die Dinge so, wie sie sind?
- Maßnahmen beschließen: Was ändern wir konkret?
- Abschluss + Rückblick auf die Retrospektive: Wie fühle ich mich jetzt? – Was darf beim nächsten Mal bleiben / sich verändern?
Ich empfinde die Retrospektive als sehr hilfreiches und wertvolles Tool, wie das systemische Prinzip mit dem folgenden Zitat greifbar macht:
„Jede Veränderung eines (sozialen) Systems entspricht einer Veränderung von Handlungen und Handlungsabläufen; und jede Veränderung entsteht durch Reflexion.“ (Maturana, Bunnell 2001)
Die Retrospektive steht in anderen agilen Mevthoden auch für agile Werte wie Achtsamkeit, Wertschätzung und Würde.
Dyade / Diade / Empowerment in agilen Werkzeugen
Die Dyade ist eine Zweierbeziehung und eine Gesprächssituation. Sie besteht aus zwei sich zugewandten Menschen im Kontakt bzw. Face2Face. Ein Vier-Augen-Gespräch gehört vom Prinzip auch hierzu und viele weitere Formen von Zweiergesprächen wie Mitarbeitergespräch, Feedback, Kritikgespräch, Coaching / Tutoring. Diese Gesprächssituation ist konstruktiv und intensiv, wenn sie von Nähe, Zugewandtheit, Vertrauen, Offenheit, Ehrlichkeit, Respekt, … geprägt ist. Der Urtyp dieser Gesprächssituation ist die Mutter-Kind-Beziehung mit den Gesprächen und Entfaltungsimpulsen für beide. Gleiches gilt für die Kommunikation zwischen führendem und geführtem Menschen. Kommunikation ist gleichzeitig die wichtigste Führungsaufgabe. Die Dyade ist auch eine Art der gelingenden Beziehungen, vgl. z.B. Perspektive – Beziehungen der Projektführung und Unternehmensführung.
Transparenz entsteht, wenn die Werte gelebt werden. Gleichzeitig entwickelt sich hierdurch die Autonomie, auch im Sinne der agilen, entrepreneurialen, systemischen Transaktionsanalyse 3.0. Die konstruktive Entwicklung wird durch positive „Strokes“ hervorgerufen. Die Bedeutung der „Strokes“ und den zugehörigen psychologischen Hunger findest Du im Artikel „Respekt“ – ein agiler Wert für das Miteinander auf Augenhöhe. Die Diade kann somit auch als eine Form von Empowerment verstanden werden, was ebenfalls eine im Seminar Projektleitung – Projektführung auf Augenhöhe enthaltene agile Methode ist
Facilitation für agiles Arbeiten
Facilitation ist moderne Moderationstechnik. Flipcharts und Arbeiten mit grafischen Symbolen, Bildern und Sketch Notes zieht in den (Arbeits-)Alltag ein. Für mich ist dies die Antwort auf den alten Spruch:
„Entweder sie haben PowerPoint oder etwas zu sagen.“
Grundsätzlich verlangt Facilitation Mut, denn Übung macht hier die Meisterin / den Meister. Facilitation belebt die Kommunikation, steht für Einfachheit, lässt sich leicht Anpassen. Manche Sketch Notes erzählen bildhafte Geschichten, so dass sich Story Telling wunderbar in den Reigen der agilen Methoden eingliedern kann.
Stacey-Matrix, ein agiles Werkzeug zur Methodenwahl
Die Stacey-Matrix ist ein agiles Tool, das auf die Un- / Bekanntheit von Lösungsansätzen und Anforderungen in der VUCA-Welt abhebt. Meine Kernaussage im Flipchart auf dem Bild (↑) aus einem Impulsvortrag ist, das agiles Mindset in allen Bereichen hilft. Je weiter man sich von einfach in Richtung kompliziert, komplex oder gar chaotisch bewegt, je wichtiger ist das agile Mindset. Mehr hierzu gibt es im hybriden Projektmanagementseminar.
Als agilen Wert kann man hier die Wertschätzung sehen, denn das agile Tool zeigt, dass je nach Situation andere Tools und Methoden zur Anwendung kommen können.