Führen auf Augenhöhe ermöglicht konstruktive Organisationsentwicklung
Führen auf Augenhöhe bedeutet, dass Führungskräfte die Mitarbeitenden als gleichwertige Partner*innen betrachten und respektieren. Es geht darum:
- ihnen Vertrauen entgegenzubringen,
- sie in Entscheidungsprozesse einzubeziehen
- ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Potentiale, Talente und Fähigkeiten einzubringen und weiterzuentwickeln.
In der Praxis bedeutet dies, dass Führungskräfte weniger autoritär agieren und mehr auf kooperative und partizipative Führungsstile oder Delegation und Selbstführung setzen, soweit es in der Führungssituation angemessen ist (Von der Führungssituation über die Reflexion zum Führungshandeln). Führungskräfte geben klare Ziele, Richtlinien und andere Rahmenbedingungen vor, lassen aber auch Raum für Eigenverantwortung und Kreativität. Der Fokus wandert von Kontrolle und Disziplin, (Ohn-)Macht und Misstrauen hin zu Befähigung, Selbstorganisation, Vertrauen und offene Kommunikation. Eine unterstützende Unternehmenskultur sowie die Bereitstellung von Weiterbildungsmöglichkeiten, konstruktivem Feedback oder Coaching fördern die konstruktive Entwicklung.
Führen auf Augenhöhe hat positive Auswirkungen auf die Motivation, Zufriedenheit und Leistung der Mitarbeitenden. Die mitarbeitenden Menschen fühlen sich ernst genommen, wertgeschätzt und können ihr volles Potenzial entfalten. Außerdem fördert Führen auf Augenhöhe ein angenehmes Arbeitsklima, in dem Respekt und Wertschätzung im Vordergrund stehen, wie bspw. in einem agilen Team.
Die Umsetzung von Führung auf Augenhöhe erfordert einen Wandel im Denken und Handeln der Führungskräfte. Jede einzelne Führungskraft müss bereit sein, loszulassen, Kontrolle abzugeben und Verantwortung zu teilen. Führen auf Augenhöhe ermöglicht somit eine andere Sicht auf das unternehmerische Risiko oder das unternehmerische Wagnis als organisationsweite Aspekte, die das Sicherheitsbedürfnis und auch die Fehlerkultur beeinflussen.
Das wichtigste Führungstool beim Führen auf Augenhöhe
Bei der Diskussion um Führungstools, Führungsinstrumente, Führungsaufgaben, Führungssysteme, Führungsstile und Führungsmodelle wird oft übersehen: Das wichtigste Führungstool ist die eigene Führungsperson. Die Führungsperson ist schließlich die Menschen führende Person, die durch ihr gezeigtes Führungsverhalten in einer Führungssituation Realität und Führungskultur für sich und die geführten Menschen beeinflusst. Durch die Beeinflussungsmöglichkeit bekommt eine führende Person Macht von den geführten Personen oder auch aus einem System. Im Sinne des Führens auf Augenhöhe bedeutet die Macht, Menschen beeinflussen zu können, diese konstruktiv, gesund zu fördern, zu motivieren, glücklich zu machen, zu entwickeln, zu empowern (engl. empower), zu enablen (engl. enable). Für die Authentizität, das Vorleben und das Verkörpern ist neben dem Lernen und Entwickeln in der Rolle auch eine Selbstreflektion betreffend der eigenen konstruktiven, gesunden oder destruktiven, ungesunden Persönlichkeitsanteile förderlich, z.B. mit dem Einstieg Egogramm.
4 wichtige Führungsaufgaben, die sich durch das Führen auf Augenhöhe verändern.
- Ziele vorgeben ≠ Ziele im Team beraten und entscheiden Je klassischer, autoritärer die Umgebung einer Führungssituation ist, je mehr bewegt man sich als Führungsperson auf Augenhöhe zunächst im Anweisen bzw. Verkaufen, um sich langsam über das Befragen und Konsultieren in Richtung des anderen Skalenendes zu bewegen.
- Teams entwickeln bedeutet in stark hierarchischen Systemen Mitarbeitende auf Fortbildungen zu schicken und als Führungskraft regelmäßig die Prozessanweisungen, Compliance u.a. Verhaltensanweisungen zu überarbeiten. Man kann hier nicht nur auf Fehleranalysen oder Messwerte aus dem Qualitätsmanagement zurückgreifen, sondern auch die Prozessbeteiligten einbinden und so Stück für Stück mehr Selbstorganisation fördern.
- Entscheiden besteht immer aus Beratungsprozess, Entscheidungsprozess und Umsetzungsprozess, und zwar auch dann wenn ich Beratung und Entscheidung intrapsychisch (in mir selbst) durchführe und nur das Handeln im Sinne der Entscheidung sichtbar und kontrollierbar wird. In allen 3 Teilprozessen des Entscheidens gibt es beim Führen auf Augenhöhe die gestaltbaren Informationsflüsse und Räume für Partizipation bis hin zur Aufgabenteilung, z.B. mit Controller*innen.
- Information ≠ Kommunikation Die klassische Führungskommunikation umfasst häufig das Kommandos Geben, Befehlen, Anweisen oder Verkaufen. Hierbei findet oft gar keine Kommunikation statt, denn es wird nur Information (Stimulus) ausgesendet, ohne auf eine Reaktion zu warten. Kommunikation blieb in diesen Fällen unvollständig bzw. gestört, so dass der Aufgabe „Kommunizieren“ einschließlich dem Kommunikationsverhalten viel mehr Empfängerorientierung bzw. Empfänger*innenzentrierung beim Führen auf Augenhöhe zukommt.
Führen auf Augenhöhe bedeutet Kommunikation auf Augenhöhe
Wie wichtig Kommunikation beim Führen ist zeigen verschiedene Führungstools wie Mitarbeiter*innengespräch, Kritikgespräch, konstruktives Feedback-Gespräch, Entwicklungsgespräch, … oder Führungstechniken wie Paraphrase, Fragetechniken, narrative Techniken (bspw. Storytelling), Konfrontieren, …, was entweder Gesprächsmethoden, Gesprächstools oder Gesprächstechniken sind. Die Aufzählung mag jede(r) für sich ergänzen. Wenn es im Unternehmen Führungsleitlinien oder Führungskräfteentwicklung gibt, werden sich dort die von der Organisation favorisierten Tools und Techniken finden lassen, auf welche sich auch Inhouse-Seminare beziehen.
Die Grafik mit dem Kommunikationsburger zeigt zwei Menschen in einer Kommunikation auf Augenhöhe <) (>. Der Kommunikationsburger veranschaulicht einerseits 5 Modelle aus der systemischen Transaktionsanalyse 3.0 und enthält anderseits eine Interpretation nach dem 4-Seiten-Einer-Nachricht-Modell oder dem 4-Ohren-Modell. Das Effizienzmodell ist ein Kommunikationsmodell welches die Kommunikation zwischen Ichzuständen darstellt oder zur Analyse eingesetzt werden kann. Transaktionsanalyse bedeutet im Sinne von Kommunikation übrigens das Betrachten der kleinsten Kommunikationseinheit aus Stimulus und Reaktion.
Das Leitziel: konstruktive Entwicklung
Aus Sicht der Systemtheorie und der Organisationsentwicklung ist Stillstand bzw. ein andauernder Gleichgewichtszustand (Homöostase) ein erklärungsbedürftiger Zustand, wie schon Heraklit in Bezug auf das agile, moderne Akronym VUCA feststellte. Blicken wir auf unsere eigene körperliche, soziale, emotionale und psychische Entwicklung von der Vereinigung von Eizelle und Samenzelle bis jetzt zurück, wird jeder für sich erkennen, dass er einen Entwicklungsprozess mit mehreren Phasen / Stufen durchlaufen hat. Zur Veranschaulichung dieses Entwicklungsprozesses in der individuellen Struktur der Psyche gibt es das Effektivitätsmodell, was ein Strukturmodell aus der Transaktionsanalyse ist.
Schaut man aus Sicht der Motivation genauer hin, wird man einen Selbstentfaltungshunger sehen und Sicherheitsbedürfnisse, Strukturbedürfnisse oder Bedürfnisse nach Liebe, Wertschätzung oder sozialen Interaktionen, die individuell gesättigt bzw. gestillt werden wollen. Das 7s-Modell fasst diese verschiedenen Perspektiven in ein Modell zusammen, was auch die 3 Führungshunger einschließt.
In Seminaren setze ich dieses 7S-Modell als Tool ein, um unterschiedliche Rollenerwartungen bspw. an eine klassische Projektmanager*in oder eine agile Product Owner*in herauszukristallisieren. Im Führungskräfte Coaching ist es ein gutes Tool für die Entwicklung von Rollenklarheit und die Rollenschärfung. Durch den Perspektivwechsel eignet es sich auch sehr gut bei der Entwicklung agiler, dienender Führungssysteme, wie z.B. in der Rolle Scrum Master*in.